Kurz und knackig:
- Im Fall einer außerordentlichen Kündigung eines Verbraucherdarlehensvertrags wegen Zahlungsverzugs des Darlehensnehmers kann das Kreditinstitut keine Vorfälligkeitsentschädigung vom Darlehensnehmer verlangen
- Allerdings kann in diesem Fall ein Verzögerungsschaden anfallen
Der Bundesgerichtshof hat mit seinem Urteil vom 19. Januar 2016 XI ZR 103/15 den Kreditinstituten die Möglichkeit einer Vorfälligkeitsentschädigung auch bei außerordentlichen Kündigung eines Darlehensvertrags aberkannt.
Mit dieser Entscheidung hat der BGH zugleich einen Meinungsstreit zwischen Rechtsprechung und Literatur entschieden. Lange war nämlich umstritten, ob dem Darlehensgeber auch im Falle einer außerordentlichen Kündigung eines Darlehensvertrags wegen Zahlungsverzugs des Darlehensnehmers die Geltendmachung einer Vorfälligkeitsentschädigung anstelle des Verzögerungsschadens als Schaden möglich ist.
Die entsprechende gesetzliche Normierung im § 497 Abs. 1 BGB gab hierzu keinen eindeutigen Rückschluss:
§ 497 BGB (alte Fassung bis zum 10. Juni 2010)
(1) Soweit der Darlehensnehmer mit Zahlungen, die er auf Grund des
Verbraucherdarlehensvertrags schuldet, in Verzug kommt, hat er den
geschuldeten Betrag nach § 288 Abs. 1 zu verzinsen; […]
(2) …
Umstritten war nach dem unklaren Wortlaut des § 497 Abs. 1 BGB a.F., ob der Schadensersatz in Form des „geschuldeten Betrags“ die abschließende Form eines Schadensausgleichs als Ersatz des Erfüllungsinteresses des Kreditinstituts darstellen sollte, ihm also eine Sperrwirkung zukommt.
Seine Auffassung stützte der BGH auf den Telos des § 497 Abs. 1 BGB a.F. (ihren Sinn und Zweck) sowie ihre gesetzliche Entstehungsgeschichte:
- Gedankliches Ziel des Gesetzgebers bei der Schaffung des § 497 Abs. 1 BGB war es einem Verbraucher die Möglichkeit einzuräumen, seine Mehraufwendungen im Verzugsfall selbstständig berechnen zu können. Diese einfache Berechnungsmöglichkeit würde einem Verbraucher aber genommen, wenn der Darlehensgeber auch eine Vorfälligkeitsentschädigung für angefallene Zahlungsrückstände geltend machen könnte.
- So war bereits in der Gesetzesbegründung der Vorgängernorm des § 497 Abs. 1 BGB vermerkt, dass „der Verzugszins nach Schadensersatzgesichtspunkten zu ermitteln und ein Rückgriff auf den Vertragszins grundsätzlich ausgeschlossen“ sein sollte (BT-Drucks. 11/5462, S. 26 zu § 11 VerbrKrG).
RA Mass, LL.M. und stud. iur Specht