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Haftungsrechtliche Entwicklungen im Zahlungsverkehr

Durch die Einführung der zweiten Zahlungsdiensterichtlinie (ZDRL II) traten einige haftungsrechtliche Veränderungen im Zahlungsverkehr auf. Die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt ist bis zum 13. Januar 2018 von den Mitgliedstaaten umzusetzen. Ziel der Richtlinie ist die Vollharmonisierung. Der nationale Gesetzgeber hat die Gesetzesänderungen im ZAG und BGB am 01.06.2017 durchgesetzt. Einen Überblick über die Neuerungen bieten wir Ihnen im Folgenden:

Die §§ 675 l, 675 v und 675 w BGB sind für die Haftungsverteilung entscheidend. Weiterhin geht das BGB vom Autorisierungsprinzip aus, d.h. dass der Zahlungsdienstnutzer (ZDN) nur Aufwendungsersatz nach §§ 676c, 670 BGB leisten muss, wenn er über das Zahlungsinstrument (ZI) verfügt hat. Ursprünglich konnte die Haftung des ZDN nur auf dem Verlust, Diebstahl oder sonstigen Abhandenkommen eines ZI beruhen. Durch den Erlass der Richtlinie ist nun auch die missbräuchliche Verwendung eines ZI ohne vorherigen Verlust der Sachherrschaft erfasst, sodass nun z.B. auch Onlineüberweisungen die Haftung auslösen. Unter welchen Voraussetzungen in Fällen fehlender Autorisierung (missbräuchliche Verwendung) der ZDN doch haftet, bestimmt § 675 v BGB. Der Grundsatz, dass der ZDN bei einem grob fahrlässigen Sorgfaltspflichtverstoß unbegrenzt haftet, bleibt bestehen. Ansonsten haftet der ZDN nur bis zu einem Betrag in Höhe von 50 €. Der Verschuldensvorwurf setzt nach § 675 v Abs. 1 BGB jedoch voraus, dass der ZDN den Verlust, Diebstahl, das Abhandenkommen oder eine sonstige missbräuchliche Verwendung des ZI vor dem nicht autorisierten Zahlungsvorgang bemerken konnte.

Neu eingefügt wurde § 675 v Abs. 4 BGB. Danach ist die Haftung des ZDN nach Abs. 1 und 3 ausgeschlossen, wenn der Zahlungsdienstleister (ZDL) eine starke Kundenauthentifizierung im Sinne des § 1 Abs. 24 des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes oder der Zahlungsempfänger oder sein ZDL eine starke Kundenauthentifizierung im Sinne des § 1 Abs. 24 des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetztes nicht akzeptiert. Grund dafür ist, die ZDL anzuhalten, ein sicheres Authentifizierungsverfahren zu integrieren. Für eine Kundenauthentifizierung muss es möglich sein, die Authentifizierungsmerkmale geheim zu halten. Darüber hinaus muss sich die Authentifizierung aus mindestens zwei Elementen zusammensetzen, die voneinander unabhängig sind. Bedeutung erlangt der neue Abs. 4 für die Haftung bei missbräuchlicher Verwendung der Kreditkarte. Die Unterschrift unter dem Zahlungsbeleg ist nicht als starkes Authentifizierungsmerkmal geeignet, da die Vertraulichkeit der Unterschrift nicht geschützt werden kann. Dies hat zur Folge, dass ihre Fälschung keine Haftung des ZDN nach § 675 v Abs. 1 oder Abs. 3 BGB begründet. Eine Haftung des ZDN kommt nur in Betracht, wenn die Karten-PIN eingesetzt wird. Auch die Eingabe der Kreditkartendaten im Fernabsatzgeschäft reicht für ein starkes Authentifizierungsmerkmal nach Abs. 4 nicht aus.

Hat früher § 675 v Abs. 3 BGB bestimmt, dass jede Haftung des ZDN endet, wenn er dem ZDL den Verlust oder die missbräuchliche Verfügung seines ZI anzeigt (Speeranzeige), befindet sich diese Regelung nunmehr in Abs. 5. Die Speeranzeige wirkt einerseits haftungsbefreiend, andererseits jedoch auch haftungsbegründet, wenn der ZDN die Anzeige unterlässt (vgl. § 675 v Abs. 3 Nr. 2 lit. a i.V.m. § 675 l Abs. 1 S. 2 BGB).

§ 675 w BGB regelt die Mindestanforderungen an eine Zahlungsautorisierung in Satz 1, die Authentifizierung des ZDN in Satz2 und den vom ZDL zu erbringenden Nachweis für die Voraussetzungen eines Aufwendungs- und Haftungsanspruchs gegen den ZDN in Satz 3, dessen Vorgaben durch den neuen Satz 4 konkretisiert werden. Der ZDL muss den Nachweis für einen autorisierten Zahlungsvorgang führen. In den Fällen des Satz 3 Nr. 2 bis 4 müssen die Regelungen des neuen § 675 v Abs. 4 BGB beachtet werden. Der neue § 675 w S. 4 BGB lautet: „Der Zahlungsdienstleister muss unterstützende Beweismittel vorlegen, um Betrug, Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit des ZDN nachzuweisen.“ Dabei kann der ZDL den Beweis für das Vorliegen eines Aufwendungs- oder Schadensersatzanspruchs nur bei Kenntnis von Umständen, die in der Sphäre des ZDN liegen, erbringen. Schwierig nachzuweisen ist in Fällen des Missbrauchs des ZI durch Dritte, dass der ZDN grob fahrlässig mit personalisierten Sicherheitsmerkmalen umgegangen ist. Der Nachweis wird durch folgende Rechtsprechung des BGH erleichtert: Da personalisierte Sicherheitsmerkmale nicht frei zugänglich sind, sondern nur dem ZDN bekannt gegeben und von diesem auch geheim gehalten werden müssen, ist es möglich, von einem bestimmten Sachverhalt auf einen bestimmten Geschehensablauf zu schließen. Dazu ein Beispiel: Steht fest, dass eine Originalkarte unter Eingabe der korrekten PIN zu Zahlungszwecken eingesetzt wurde, geht der BGH davon aus, dass der Beweis des ersten Anscheins dafür spricht, dass der Missbrauch nach allgemeiner Lebenserfahrung durch einen grob fahrlässigen Umgang des ZDN mit der PIN ermöglicht wurde. Natürlich kann der ZDN einen Gegenbeweis erbringen, indem er die Atypik des Geschehensablaufs darstellt.

Sollten Sie weitere Fragen zum neuen Haftungsrecht im Zahlungsverkehr haben, zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir stehen Ihnen in Ihren Angelegenheiten sehr gerne und jederzeit beratend zur Seite.

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