| Viele Unfälle sind fingiert – die Versicherungswirtschaft geht davon aus, dass es sogar jeder siebte Unfall ist. „Opfer“ und Täter kennen sich und verabreden sich zu einem „Unfall“ an einem abgelegenen Ort. Damit der Schaden bei der Versicherung geltend gemacht werden kann, holen sie die Polizei, um der Angelegenheit einen offiziellen Charakter zu geben. Oft ist das Schädigerfahrzeug deutlich größer und schwerer als das des „Opfers“, damit einerseits schon eine leichte Berührung bei niedriger Geschwindigkeit einen deutlichen Schaden hervorruft und andererseits so niemand verletzt wird. Oft sieht es aber auch nur nach einem fingierten Unfall aus – so wie in einem aktuellen Fall des Landgerichts (LG) Stuttgart. |
Wirtschaftlicher Totalschaden
Auf dem Parkplatz einer Kleingartenanlage hatte ein SUV-Fahrer beim Rangieren nicht aufpasst und ein älteres Fahrzeug eines Kleingartenkollegen so „erwischt“, dass ein wirtschaftlicher Totalschaden vorlag.
Versicherer muss Manipulation beweisen
Das LG Stuttgart: Der Versicherer muss die behauptete Unfallmanipulation beweisen. Es hob hervor, dass jedes vom Versicherer vorgetragene Merkmal auch eine sinnvolle andere Erklärung haben konnte.
Warum fuhr der Schädiger? Unfall am hellen Tag
Für den konkreten Fall bedeutete dies: Der Kleingarten war einerseits nur 850 Meter vom Wohnort entfernt. Warum ist der Kläger also dorthin gefahren, statt zu laufen? Andererseits: Viele Menschen benutzen sogar für kürzere Strecken ihr Auto.
Ein weiteres Indiz, das gegen einen fingierten Unfall sprach: Der Unfall ereignete sich am hellen Tag. Die Parteien handelten also nicht im Verborgenen. Neutrale Zeugen hätten das Unfallgeschehen jederzeit beobachten können. Außerdem fehlen bei vielen Unfällen neutrale Zeugen – sehr zum Leidwesen der Beteiligten.
Polizei herbeigerufen: kein Indiz für einen fingierten Unfall
Weil der SUV ein Leasingfahrzeug war, musste dessen Fahrer sogar die Polizei rufen. Er war hierzu vertraglich verpflichtet.
Größe und Gewicht des Autos
Ein beinahe 5 Meter langer und über 2 Tonnen schwerer SUV ist ein beliebtes Kfz-Modell, keine Rarität. Ein solches Auto führt aber bei – hier vorliegenden – beengten Verhältnissen auf einem Parkplatz zu Rangierfehler-Risiken. Diese hatten sich realisiert.
Für den Geschädigten heißt es hier „Ende gut, alles gut“
Am Ende musste der Versicherer zahlen. Die Einwände des Versicherers prallten am Gericht ab.
Quelle | LG Stuttgart, Urteil vom 12.9.2022, 16 O 35/22, Abruf-Nr. 234167 unter www.iww.de