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Mitverschulden: Vollbremsung: Im Linienbus besser festhalten

| Jeder Fahrgast ist verpflichtet, sich in einem Linienbus festzuhalten. Diesen Grundsatz hat das Amtsgericht (AG) München jetzt noch einmal bekräftigt. |

Bus machte Vollbremsung

Der zum Unfallzeitpunkt 76-jährige Kläger fuhr als Fahrgast in einem Busanhänger eines Busses . Das Busgespann fuhr auf der Rechtsabbiegespur auf eine rote Ampel zu, als ein PKW kurz vor diesem auf dieselbe Abbiegespur wechselte, weshalb der Busfahrer eine Vollbremsung durchführte.

Der Kläger behauptete, er sei hierdurch gestürzt und habe Prellungen im Bereich der Brustwirbelsäule und des Beckens erlitten, zudem sei sein Daumensattelgelenk überdehnt worden. Er habe vier Wochen unter Schmerzen gelitten und sei bis heute nicht beschwerdefrei. Vor dem AG verklagte er den Fahrer des überholenden PKW sowie dessen Versicherung auf Zahlung von 2.000 Euro Schmerzensgeld sowie vorgerichtlicher Anwaltskosten.

Vollständiges Mitverschulden des Fahrgasts

Das AG wies die Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme ab. Es ging zwar davon aus, dass die Fahrweise des beklagten PKW-Fahrers zum Sturz des Klägers beigetragen habe und dass die StVO ihm für den Spurwechsel ein Höchstmaß an Sorgfaltspflicht auferlege, gegen die er verstoßen habe. Die Haftung des PKW-Fahrers sei jedoch aufgrund des vollständigen Mitverschuldens des Klägers ausgeschlossen. Denn jeder Fahrgast sei verpflichtet, sich im Fahrzeug stets einen festen Halt zu verschaffen. Dies diene dem Schutz der Fahrgäste.

Die klägerseits eingenommene stehende Position war nicht geeignet, um bei einer Bremssituation gesichert zu sein. Vorliegend zeigte nämlich ein Video der Businnenkamera, dass der Kläger sich lediglich mit der linken Hand an dem Handlauf festhielt und seine rechte Hand auf dem mitgeführten Einkaufstrolley ruhte. Die Stabilisierung mit der linken Hand sei zu schwach, um ruckartige Bremsungen auszugleichen. Der Trolley biete keinen Halt, da er selbst bei der Vollbremsung herumgewirbelt wird, wie auf dem Video zu sehen sei. Der Trolley stellte eher eine Behinderung dar, weil der Kläger ihn auch während des Sturzes nicht losließ und sich daher auch mit der rechten Hand keinen festen Halt suchte.

Weitere Fahrgäste kamen nicht zu Fall

Dies zeige sich auch daran, dass keine anderen Passagiere im Rahmen der Vollbremsung stürzten, soweit auf den eingesehenen Videos der Businnenkamera zu sehen ist. Vielmehr hielt sich z. B. eine ältere Dame, die einen der Sitzplätze direkt hinter dem Kläger belegt hatte, an der dortigen Stange fest und rutschte (im Gegensatz zu ihrer Tasche) nicht von ihrem Sitz.

So sei dem Kläger – auch aufgrund seines Alters und des Mitführens des Trolleys – vorzuwerfen, dass er sich nicht hingesetzt hat. Wie auf dem Video zu sehen sei, waren ausreichend Sitzplätze vorhanden, auch wenn der Kläger das Gegenteil behauptete. Direkt hinter dem Kläger sei z. B. ein Sitzplatz frei gewesen, der überdies eine Haltestange zum Festhalten geboten hätte.

Vollbremsung nicht überraschend

Es habe sich hier auch nicht um eine völlig überraschende – wenn auch heftige – Vollbremsung gehandelt, da im Stadtverkehr regelmäßig mit heftigen Bremsungen gerechnet werden müsse. Hinzu komme, dass der Bus unstreitig bereits ca. 50 m vorher leicht gebremst hatte, wodurch der Kläger hätte feststellen können, dass seine Position ihm einen ungenügenden Halt verschaffte.

Quelle | AG München, Urteil vom 18.10.2024, 338 C 15281/24, PM 35/24

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