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Nachbarrecht: Nachbar muss Birken nicht beseitigen, wenn sie den Grenzabstand einhalten

| Ein Grundstückseigentümer kann von seinem Nachbarn in aller Regel nicht verlangen, dass dieser Bäume wegen der von ihnen ausgehenden natürlichen Immissionen auf seinem Grundstück beseitigt, wenn die für die Anpflanzung bestehenden landesrechtlichen Abstandsregelungen eingehalten sind. |

Diese Klarstellung traf der Bundesgerichtshof (BGH) im Fall zweier Nachbarn. Auf dem Grundstück des Beklagten stehen in einem Abstand von mindestens zwei Metern zur Grenze drei ca. 18 Meter hohe, gesunde Birken. Von den Birken gehen Immissionen aus (Pollenflug, Herausfallen der Samen und Früchte, Herabfallen der leeren Zapfen sowie der Blätter und Birkenreiser). Der Kläger verlangt daher, dass die Bäume entfernt werden. Hilfsweise verlangt er einen monatlichen Entschädigungsbetrag von jeweils 230 EUR in den Monaten Juni bis November.

Der BGH hielt beide Anträge für unbegründet. Ein Beseitigungsanspruch besteht nur, wenn der Beklagte Störer im Sinne des Gesetzes ist. Hierfür genügt nicht bereits das Eigentum an dem Grundstück, von dem die Einwirkung ausgeht. Vielmehr muss festgestellt werden, ob es jeweils Sachgründe gibt, dem Grundstückseigentümer die Verantwortung für das Geschehen aufzuerlegen. Beruhen die Störungen auf Naturereignissen, ist entscheidend, ob das betroffene Grundstück im Rahmen ordnungsgemäßer Bewirtschaftung genutzt wird. So hat der BGH die Störereigenschaft beispielsweise verneint bei Umstürzen nicht erkennbar kranker Bäume infolge von Naturgewalten. In aller Regel ist von einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung auszugehen, wenn die für die Anpflanzung bestehenden landesrechtlichen Abstandsregelungen eingehalten sind. Kommt es zu natürlichen Immissionen auf dem Nachbargrundstück, obwohl die Abstandsgrenzen eingehalten sind, ist der Eigentümer des Grundstücks hierfür nach der Wertung des Gesetzgebers regelmäßig nicht verantwortlich.

Es gibt hier auch keinen Konflikt zwischen den Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs und den landesrechtlichen Vorschriften. Richtig ist zwar, dass der Landesgesetzgeber nicht dem Nachbarn Rechte nehmen kann, die sich aus dem BGB ergeben. Darum geht es hier jedoch nicht. Vielmehr stellt sich die (Vor-)Frage, ob ein Grundstückseigentümer für natürliche Immissionen überhaupt verantwortlich ist. Scheidet dies aus, liegt kein Konflikt vor.

Zudem soll der Grundstückseigentümer für natürliche Einwirkungen auf das Nachbargrundstück, die vom BGB (Überhang) nicht erfasst werden, regelmäßig nicht verantwortlich sein, wenn die Anpflanzungen mit dem Landesnachbarrecht in Einklang stehen. Das folgt aus den Gesetzesmaterialien. Ein Beseitigungsanspruch lässt sich auch nicht aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis herleiten. Die Beeinträchtigungen sind zwar erheblich. Sie sind aber nicht derart schwer, dass der Kläger sie trotz der Wertung des Gesetzgebers nicht mehr hinzunehmen hätte.

Der mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Anspruch auf eine Entschädigung von monatlich 230 EUR in den Monaten Juni bis November besteht nicht. Da der Beklagte für die Beeinträchtigungen nicht verantwortlich ist, kommt ein Ausgleichsanspruch nicht in Betracht.

Quelle | BGH, Urteil vom 20.9.2019, V ZR 218/18, Abruf-Nr. 211552 unter www.iww.de.

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