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Urteil des LAG Schleswig-Holstein vom 06.05.2014 (1 Sa 421/13) – Kündigung ohne Abmahnung eines langjährigen Arbeitsverhältnisses bei ausschweifender privater Nutzung des Internets

I. Sachverhalt

Das LAG Schleswig-Holstein hatte einen Fall zu entscheiden, in dem ein 1967 geborener, verheirateter und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichteter Arbeitnehmer nach mehr als 21 Jahren Betriebszugehörigkeit ohne Abmahnung ordentlich gekündigt wurde. Hintergrund war, dass der Arbeitnehmer auf seinem Betriebs-PC insgesamt 17.429 Daten abgespeichert hatte. U. a. waren Daten der Besuche von Seiten der Internetportale Facebook und Xing so wie umfangreicher Download von Filmen und Musik erkennbar. Die entsprechenden Daten waren zwar gelöscht, jedoch hat der Arbeitgeber die Löschung rückgängig gemacht.

 II. Die Entscheidung

Das LAG stellt in seiner Entscheidung heraus, dass die Kündigung nicht sozial ungerechtfertigt sei. Vielmehr ist nach Ansicht des LAG die Kündigung durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers gerechtfertigt.

1.

Zunächst gibt das LAG einen Überblick über die Rechtsprechung des BAG bezüglich der privaten Nutzung des Internets. Es wird dargestellt, dass eine Kündigung wegen privater Nutzung des Internets immer dann in Betracht kommt, wenn entweder der Arbeitnehmer entgegen eines ausdrücklichen Verbots oder einer einschlägigen Abmahnung das Internet für private Zwecke nutzt oder wenn eine Nutzung in einem solchen Ausmaß erfolgt, dass der Arbeitnehmer nicht annehmen könne, sie sei vom Einverständnis des Arbeitgebers gedeckt. Ferner kann eine Pflichtverletzung darin liegen, dass eine erhebliche Menge von Daten aus dem Internet auf betriebliche Datensysteme heruntergeladen werden (unbefugte Downloads), insbesondere wenn damit die Gefahr möglicher Vireninfizierung oder anderer Störungen des Betriebssystems verbunden sein können.

Das LAG war davon überzeugt, dass der Kläger tatsächlich die ihm vorgeworfenen Daten heruntergeladen hat und somit auch eine extensive Nutzung des Internets durch den Arbeitnehmer belegt wurde. 

Folge ist, dass bei diesem Sachverhalt es – entgegen der sonstigen üblichen Verpflichtung – im vorliegenden Fall nicht notwendig war, eine einschlägige Abmahnung auszusprechen.

2.

Das LAG führt in seiner Entscheidung (lehrbuchhaft) aus, dass eine verhaltensbedingte Kündigung grundsätzlich nach dem Prognose-Prinzip zu erfolgen hat. Eine negative Prognose (die zur Kündigung berechtigt) liegt vor, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung geschlossen werden kann, dass der Arbeitnehmer den Vertrag auch nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzt. Daher sei grundsätzlich bei einer Vertragspflichtverletzung eine Abmahnung Voraussetzung. Eine Abmahnung ist nur entbehrlich, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft trotz Abmahnung nicht erwartet werden kann, wenn es sich z. B: um eine schwere Pflichtverletzung handelte. Für den Bereich der privaten Internetnutzung hat das BAG bereits entschieden, dass bei einer ausschweifenden Internetnutzung der Arbeitgeber nicht mehr darauf vertrauen könne, der Arbeitnehmer werde sein Verhalten ändern. Von einer solchen exzessiven Nutzung ist auch das LAG in dem Verfahren ausgegangen.

III. Tipps für die Praxis

Wie das Urteil zeigt, gibt es für die Praxis keinen „sicheren“ Leitfaden, bis wann eine Nutzung des Internets für private Zwecke noch „in Ordnung“ ist.

Fest steht nur, dass eine extensive Nutzung oder ein illegaler Download von Daten auf dem Betriebsrechner einen Kündigungsgrund darstellen können, bei dem eine vorherige Abmahnung entbehrlich ist.

Dabei gilt jedoch zu beachten, dass eine private Internetnutzung dem Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber auch gestattet werden kann, sogar konkludent. Dies kann und sollte jedoch vorher genau festgelegt werden, wann und wie oft der Arbeitnehmer auf dem betrieblichen Rechner das Internet für private Zwecke nutzen darf und ob Daten gespeichert werden dürfen.

Für den Arbeitnehmer gilt, dass er bei Zweifeln seinen Arbeitgeber im Vorfeld fragen sollte. Auf keinen Fall darf jedoch seine Arbeitsleistung durch die private Nutzung des Internets eingeschränkt werden.

Sollten Sie – egal ob Arbeitgeber oder Arbeitnehmer – mit entsprechenden Problemen konfrontiert werden, sollten Sie den Sie betreffenden Sachverhalt einem Arbeitsrechtler vortragen, damit dieser im konkreten Einzelfall eine erste Abwägung für Sie vornehmen kann.  Hervorzuheben ist nämlich in diesem Zusammenhang, dass es äußerst ungewöhnlich ist, eine ordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung wirksam aussprechen zu können.

Sollten Sie hierzu Fragen haben, stehen wir Ihnen gerne jederzeit zur Verfügung.

RA Manuel Große

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